Dienstag, 28. Februar 2012

Teebeutelbotschaften


"Abwarten und Tee trinken" sagt der Volksmund. Teetrinken allein nimmt mir natürlich nicht meine Sorgen und löst auch keine Probleme in Luft auf. Aber es lässt mich innehalten. Ich kann zur Ruhe kommen, durchatmen. Ich spüre, wie die Wärme die Kehle hinab rinnt und sich ausbreitet. Und dann der Duft! 
Ich kann an keinem Teeladen vorbeigehen, ohne hineinzuschnuppern. Herrlich! Es hat so etwas Wohliges. 

"Gut und schön", werden manche vielleicht sagen. "Aber Tee im Beutel?"
Ja, eine tolle Erfindung für unterwegs! Oder für den Fall, dass fürs Zelebrieren der Teezubereitung keine Zeit ist, z. B. morgens, wenn Menschen wie ich niemals auch nur eine Sekunde zu viel haben. So kann ich mir trotzdem Tee mit zur Arbeit nehmen, wo es keine Küche gibt, in der ich meinen Tee frisch aufbrühen könnte. 


Und manchmal, so wie heute Morgen, gibt es gratis ein paar Botschaften dazu. Sie erinnern mich und ich schicke ein paar Grüße.

Samstag, 25. Februar 2012

Stromausfall


Mitten im Satz verschwindet der Nachrichtensprecher im Nichts und wir sitzen im Dunkeln. Tasten nach dem Schrank, in dem die Taschenlampe liegt. Dann nach draußen: Ah, die Nachbarschaft ist auch ohne Licht und die Straßenbeleuchtung hat es ebenfalls erwischt. Hinter den anderen Haustüren sieht man Taschenlampen aufblitzen. Türen, Rollläden und Fenster öffnen sich: "Oh, da bin ich beruhigt, ich dachte, nur wir hätten keinen Strom." Ein Nachbar nach dem anderen vergewissert sich. Ein kurzer Austausch unter nachtfinsterem Himmel, dann zieht sich jeder wieder zurück ins warme Haus. Schnell die Türen zu, denn die Heizung geht ohne Strom ja auch nicht mehr. Um die Batterien der Taschenlampe zu schonen, werden Kerzen angezündet. Irgendwie anheimelnd, trotz des Gedankens, ob der Strom rechtzeitig wieder da ist, bevor in der Tiefkühltruhe alles auftaut. Ob man beim Stromanbieter anrufen soll? Aber das Mobilteil sucht seine Basisstation. Also warten wir und beginnen zu erzählen. Nichts stört uns oder lenkt ab: kein Fernsehen, kein Radio, kein Internet. Nur wir. Ich bin froh, dass wir uns noch was zu sagen haben und mit dem Strom nicht auch unser Miteinander ausfällt.

Donnerstag, 23. Februar 2012

To Whom It May Concern


Wenn ich in eine fremde Kirche komme, stelle ich gerne ein paar Kerzen auf. Manchmal, wenn ein Anliegen mir dringend scheint, suche ich die nächste Kirche, um eine Kerze anzuzünden. Vor Klausuren und Prüfungen hat mir das ein paar Minuten zum Durchatmen geschenkt. Ich konnte zu meiner inneren Ruhe und Stärke finden.















 


Heute sehen meine Prüfungen anders aus, aber das Aufstellen einer Kerze hat noch immer dieselbe Wirkung und Kraft für mich. Das Flackern der Flammen drückt meine Verbundenheit zum HERRN aus. Die Welt, meine Welt wird heller und wärmer und für einen Moment muss ich nichts und darf einfach nur sein – vor dem HERRN und Worte und Erklärungen sind nicht mehr nötig. Es ist ein stiller Dank, eine stille Bitte.
Und eine Kerze zünde ich immer für irgendjemanden an, der oder die es gerade nötig hat. ER weiß schon, wer ein bisschen Licht und Wärme braucht.

To whom it may concern ...

Mittwoch, 22. Februar 2012

Aschermittwoch



Da hat jemand seine Maske verloren.
Wie schön! Jetzt kann er wieder er selbst sein.

Dienstag, 21. Februar 2012

Wann sind wir da?


Oder: Wie Seelenschrammen entstehen können

Es war oder es war nicht ein kleiner Junge, der seine Oma besuchen wollte. Also packten seine Mutter und er ihre Rucksäcke und stiegen in den Zug. Die Fahrt sollte sehr lange dauern, über vier Stunden – eine kaum vorstellbare Zeit für einen Jungen von vier oder fünf Jahren. Am Anfang war alles noch spannend: der Großraumwagen der Bahn, der kleine Klapptisch an seinem Platz, auf dem der Kleine seinen Dino und seinen LKW hin und her schieben konnte. Die Welt da draußen flog vorbei, so schnell konnte man fast gar nicht gucken. Fröhlich sang der kleine Junge ein Phantasielied. Nach ein paar Takten sagte die Mutter zu ihm, er solle leiser singen, weil die anderen ihn sonst nicht mehr mögen würden.

An diesem Teil der Geschichte sollte ich schon stutzig werden. Wieso müssen die anderen ihn mögen? Den ein oder anderen Mitreisenden mag der Gesang stören. Aber wie viele werden den kleinen Jungen jemals wieder treffen und sich dann erinnern, dass er einmal so laut gesungen hat? Doch weiter geht’s:

Der Junge sang etwas leiser und kommentierte: "Ich kann sehr schön leise singen, ja, Mama?" Das konnte er. Aber bald war das Lied zu Ende und der Junge wollte lieber herumrennen. Er zog sich, wie ihm geheißen, seine Schlappen an und ging hinüber zum Fenster neben der Tür des Großraumwagens. Auch da draußen flog die Welt vorbei und der Reisende, der ihn so freundlich anlächelte, war viel interessanter. Die beiden unterhielten sich eine Weile, wobei die kleine Spielzeugfigur guten Gesprächsstoff lieferte. Derweil packte die Mutter den Thriller eines Bestsellerautors aus. Darin vertieft mischte sie sich erst wieder ein, als der Reisende etwas lauter und bestimmter wurde, weil der Kleine überall herumkletterte. "Nein, nicht, lass das sein! Komm wieder her!" Und so kletterte der Junge wieder zurück auf seinen Platz.
Essen war jetzt ein gute Idee und bald knabberte er am angebotenen Wurstbrot. Mutter und Sohn unterhielten sich über "Tigers". – "Nein", verbesserte die Mutter, "das heißt Tiger, nicht jeder Plural hat ein S am Ende." Als das Thema "TigersTiger, das heißt Tiger!" – ausdiskutiert war, packte der Junge ein Aufziehauto aus und zog es hin und her über den Rand der Fensterscheibe. "Nicht, so geht es kaputt. Du kannst das Auto ja bei der Oma über das Parkett laufen lassen.""Wann sind wir denn bei der Oma?"

Da war sie, die Frage aller Fragen, wenn man aufbricht zu einer unvorstellbar langen Reise. Man sollte versuchen, sie so lange wie möglich hinaus zu schieben und wenn sie gestellt ist, ein paar Ablenkungsmanöver in der Hinterhand zu haben. Sehen wir, wie sich die Geschichte weiterentwickelt:

"Oh, das dauert bestimmt noch zwei Stunden.""Aber wann sind wir dann da?" Jede Antwort, die die Mutter gab, konnte den Jungen nicht zufrieden stellen und so wiederholte er seine Frage wieder und wieder. "Sehe ich so aus, als ob ich an der Uhr drehen könnte?""Ja!""Ja gut, aber davon vergeht die Zeit nicht schneller und der Zug kann nicht fliegen." Nein, fliegen konnte der Zug nicht, so schnell er auch fuhr. "Aber wann ...""Guck mal, wenn der kleine Zeiger da und der große Zeiger ganz oben steht, dann sind wir da.""Wie lange ist das? Der große Zeiger muss noch so weit gehen." Der Zug fuhr weiter, vorbei an Feldern und durch Städte und Dörfer. "Guck doch raus, was du siehst." Der Junge entdeckte auf einem vorbeiziehenden Bahngelände einige schwarz-gelbe Geländer. "Ich seh Stangen.""Nein", sagte seine Mutter, als sie aufblickte. "Ich seh nur Bäume."
Es ging vorbei an Straßen und Häusern und der kleine Junge bot seiner Mutter eine Geschichte an: "Vielleicht gehen die da wohnen auf den Spielplatz." Aber diese, zusehends genervt, tat das murmelnd ab: "Das glaub ich eher nicht." Auch seine Feststellung, dass er das da draußen jetzt alles erkenne, wurde abgeschmettert, denn schließlich konnte das nicht sein, weil das Ziel noch lange nicht in Sicht war. Damit war der Junge erneut auf sich allein gestellt.
Und der Kleine stellte die einzige Frage, mit der er seine Mutter irgendwie erreichte: "Wann sind wir denn da?" Er stellte sie in allen möglichen Variationen, abwechselnd jedes Wort betonend, weinerlich, sich auf seinem Sitzplatz windend, und vor allem: Er stellte sie immer wieder. Und je öfter er fragte, desto mehr verlor die Mutter ihre Fassung. "Kannst du nicht mal deinen Mund halten?""Ich kann aber meinen Mund nicht halten.""Sei doch einfach mal still!" Und: "Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?" Oder: "Schreib’s auf!""Ich kann aber doch gar nicht schreiben."

Schreiben ist ein schönes Stichwort. Ein paar Malstifte und etwas Papier hätten den Kleinen sicher für eine Weile beschäftigt. Oder ein Bilderbuch, das man gemeinsam hätte lesen können. Oder ein Spiel für zwei. Aber unsere Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende:

Nachdem sein Durst gestillt und die Flasche für später neu befüllt war, griff der Junge noch einmal in seinen Rucksack mit dem Spielzeug und prompt fiel etwas auf den Boden. Also zog er wieder seine Schlappen an, kletterte unter den Sitz und angelte das Teil hervor, kommentiert von seiner Mutter: "Auf deine Sachen aufpassen, kannst du also auch nicht." Und Mutters Sachen waren sowieso tabu. "Ich habe dir gesagt, du sollst die Finger von meinen Sachen lassen!" "Warum?""Lass es!"
So beschäftigte er sich wieder mit der Frage, wann man denn nun endlich bei der Oma ankäme, und hörte von seiner Mutter in verzweifelt wütendem Ton: "Wenn du dauernd so quengelst, dann können wir eben nicht mehr zur Oma fahren. Kannst du nicht mal für eine Sekunde still sein?" Und schließlich, als der Zug schon im Zielbahnhof einfuhr und die beiden ihre Rucksäcke schulterten, bekam der kleine Junge eine letzte Antwort: "Wenn du hier noch weiter quengelst, dann mag die Oma dich nicht mehr!""Aber die Oma freut sich, wenn ich komme. Wo ist die Oma?""Weg!"
Auf dem Bahnsteig verloren sich ihre Spuren im Gewühl der Menschen. Reisende von hier nach dort.

Mir tut’s in der Seele Leid um so einen kleinen Jungen, der sich mit seinen Mitteln so tapfer gegen die wütende Not – oder die (un)nötige Wut? – seiner Mutter wehrt. Ich hoffe, seine kleine Seele trägt keine irreparabel großen Schrammen davon. Seiner Mutter wünsche ich Gelassenheit und etwas Balsam für die eigene Seele.
Was ich aus dieser Geschichte lerne? Wenn ich mal mit einem kleinen Menschenkind auf Reisen gehe, dann werde ich meinen Bestsellerroman zu Hause lassen und lieber bunte Stifte, ein Geschichtenbuch und etwas Phantasie einpacken. Denn ich bin die Erwachsene, der eine junge Seele anvertraut ist.


Montag, 20. Februar 2012

Stein-Meditation


















Ich bin ein kleiner Stein in deiner Hand,
aber ich trage in mir die Erinnerungen aus Jahrmillionen:

aus dem Innern der Erde heiß und flüssig ausgespuckt
und dann erkaltet und gehärtet, von Wind und Wetter geprägt,
im Fluss der Zeit von Wasser geformt,
von Menschenhand bearbeitet zu Waffen und Werkzeugen,
geschliffen und gefasst zu edlem Schmuck,
aus Steinbrüchen gehauen für den Bau von Häusern und Städten,
sorgfältig ausgewählt für Kunstwerke, Statuen, Gedenksteine und Tafeln.

Als die Menschen sesshaft wurden, wurden auch ihre Kulturen sesshaft.
Und ich, der kleine Stein in deiner Hand, bin davon ein Teil:
Die Steine der Pyramiden, antiken Theater, Siedlungen und Industriepaläste
erzählen Geschichten und erinnern an das Leben der vielen,
die sie erbaut, bewohnt und bevölkert haben.

Als die Menschen sesshaft wurden, wurde auch ihr Glaube sesshaft.
Und ich, der kleine Stein in deiner Hand, kann es bezeugen:
Steinerne Altäre, Kultstätten, Tempel und Kathedralen erzählen und bewahren,
wie die Menschen aus allen Zeiten Seelenbeistand gesucht und gefunden haben.

Jetzt bin ich in deiner Hand.
Und wenn du willst, betrachte mich, ertaste mich und höre,
was ich dir erzählen kann!

Sonntag, 19. Februar 2012

Kan Ya Ma Kan


"Es war oder es war nicht" so beginnen Märchen im Orient. Diese Einleitung gefällt mir, sehr sogar und mehr noch als unser abendländisches "Es war einmal". Während dieses Wirklichkeit suggeriert, überlässt die orientalische Eröffnung dem Zuhörenden von vornherein die Entscheidung, ob das Erzählte wahr ist oder eine gut erdachte Geschichte.

Für mich ist das eine schöne Formel für der Theorie über die konstruierte Wirklichkeit: Jede/r nimmt die Welt subjektiv wahr, geprägt von den je eigenen sozialen und kulturellen Systemen und Lebenserfahrungen. Objektive Wirklichkeit ist ein Trugschluss. Und so gab es in meinem Ausbildungskurs in systemischer Beratung das geflügelte Wort: "Es ist so. Oder ganz anders. Vielleicht."

So oder so fing es an mit friedamars: Schon bevor das Internet in die privaten Häuser einzog, habe ich Erlebnisse in Worte gefasst und meine Sicht auf die Welt aufgeschrieben. Liebe Menschen haben mich ermutigt, dies in einem Blog zu teilen. Auf der Suche nach einem passenden Titel haben mich zwei Dinge inspiriert: unsere Klassenblume im 5. Schuljahr, eine Sukkulente namens Friedchen, und meine doppelte Verbindung zum Mars durch meinen Vornamen und Geburtswochentag.
Kan ya ma kan ... ;-)

Und jetzt wünsche ich fröhliches Stöbern und Lesen im friedamars | sammelband und freue mich über Reaktionen und Kommentare an friedamars[at]web.de oder im wahren Leben.

Martina