Es gibt tatsächlich einen
Weltgeschichtentag und der ist heute. 2012 geht es um das Thema Bäume. Das
greife ich gerne auf, um eine kleine Geschichte zu erzählen.
Man hatte ihn gefällt, aus
dem Wald verschleppt und seiner majestätischen Krone beraubt. Die Äste hatten
sie ihm gestutzt und seinen Stamm in Stücke zerlegt. Brennholz sollte
er werden und so lag er nun da, bevor er weiter gespalten und aufgestapelt werden sollte, um zu trocknen.
An seinen offenen
Schnittwunden konnte man die Jahresringe zählen. Viele Jahre hatte er im Wald
gestanden, seine Wurzeln tiefer und tiefer in die Erde gegraben, um Kraft zu
schöpfen und zu wachsen. Er war groß geworden und hatte seine Äste ausgebreitet, um die Welt
zu umarmen. Jedes Jahr, wenn der Winter weiterzog, formte er neue Triebe,
Blätter und Knospen. Er lächelte der Sonne entgegen und genoss ihre warmen
Strahlen auf seiner Rinde. Zusammen brachten sie das saftigste Grün hervor, um
die zurückkehrenden Vögel einzuladen. Im Schutz der Blätter bauten sie ihre
Nester und zogen ihre Jungen groß. Der Baum liebte es, ihren Liedern und
Melodien zu lauschen. Mit den Vögeln kamen auch andere Waldbewohner und lebten
bei dem Baum. So verging Sommer um Sommer und in jedem Herbst sammelten
die Eichhörnchen die Früchte des Baumes als Vorrat für den Winter. Die Vögel verabschiedeten sich und versprachen, im nächsten Frühjahr
wieder zurückzukommen. Und der Baum schillerte in bunten Farben, bevor er seine Blätter im Spiel des Windes entließ. In der Winterruhe träumte er dann von den Liedern
der Vögel, von den zarten Berührungen der Eichhörnchen, wenn sie an seinem
Stamm rauf und runter kletterten, und von den ersten warmen Sonnenstrahlen.
Eines Morgens, als die Sonne
gerade über den Hügel stieg, malte jemand einen großen farbigen Kreis auf die Rinde des
Baumes. Später kamen sie mit lauten Sägen und Maschinen. Nun lag er da.
Und der Baum tat, was er in
jedem Jahr tat, wenn der Winter weiterzog: Er formte neue Triebe und Blätter,
weil Frühling war und er tief in seinem Innern das Leben spürte.