Mittwoch, 6. März 2024

Adolph Kolping – der Bildungsjunkie


„… schon frühe regte sich eine große Lernbegierde in mir, die mein Lehrer, ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter Mann, wohl zu wecken und anzufeuern verstand. Die glücklichsten Stunden meines Lebens habe ich unter seinen Augen zugebracht, wenn er mit der Liebe eines Vaters seinen aufhorchenden Schülern die Lebensgeschichten großer Männer erzählte oder ihnen Kenntnisse mitteilte, die, wenn sie auch außer dem Kreise einer gewöhnlichen Landschule lagen, doch dem wißbegierigen Knaben so willkommen waren. Aber gerade dadurch wurde jener Trieb nach einer höheren Ausbildung in meine Seele gepflanzt, den ich später nicht mehr unterdrücken konnte.“
Das schreibt Adolph Kolping in seinem Curriculum Vitae, in dem er kurz vor seinen Abiturprüfungen auf sein bisheriges Leben zurückblickt. Als jüngstes Kind hatte Kolping das Privileg, statt Pflichten im Familienalltag übernehmen zu müssen, den Geschichten seines Großvaters zu lauschen, die ihm wohl früh neue Gedankenwelten eröffnet hatten. In der Schule war es sein Lehrer, der ihm mit Geschichten die Leselust ins Herz pflanzte. Mit 12 Jahren musste er diese Leidenschaft hintenanstellen, denn Kolping begann die Lehre als Schuhmacher. Das Handwerk erlernte er mit Fleiß und versuchte, seine Kenntnisse in den Wanderjahren immer weiter zu verbessern und schaffte es bis in Kölns erste Werkstatt. Glücklich war er allerdings auch dort nicht. Die Situation der Handwerksgesellen in seiner Zeit war zu prekär und Kolping verabscheute das Milieu.
„Das Bewußtsein meiner unglücklichen Lage wurde noch schmerzlicher, als ich durch die Leserei, der ich mich nie entwöhnen konnte, ganz andere Begriffe über den Menschen, seine Bestimmung, über die Würde einer höheren Bildung erlangte. Ich fand mich vereinsamt mitten unter meinen Standesgenossen, an eine Lebensweise gebunden, die mir allmählich Grauen einflößte, und doch keinen Ausweg vor mir, aus diesem Labyrinthe zu entkommen. … noch erbebt mein Inneres, wenn ich an die schrecklichen Tage gedenke, die ich dort mitten unter der Liderlichkeit und Versunkenheit von Deutschlands Handwerks-Gesellen zugebracht habe.“
Harte Worte findet Kolping in seinem Lebenslauf und beschreibt dann sein Glück, in seiner Familie Wohlwollen und bei Förderern die Unterstützung zu finden, um seinem Drang nach Wissen und Bildung erst im Gymnasium und später im Theologiestudium nachzugehen. Er war ein fleißiger Lernender und froh dem ungeliebten Milieu entkommen zu sein.
Und dann wird er in Elberfeld ausgerechnet wieder mit der Misere der Handwerksgesellen konfrontiert – und im Elberfelder Gesellenverein des Lehrers Johann Gregor Breuer mit einem Weg, der prekären Lage etwas entgegenzusetzen. Häuser für Gesellen und vor allem Bildung für Gesellen.

Bildung ist Erlangen von Wissen, Kenntnissen, Fertigkeiten – zuerst lesen, rechnen, schreiben. Kolping war bei seiner Mission, die Welt durch Bildung zu verbessern, ein ebenso passionierter Schreiber wie Leser. Doch Bildung meint wesentlich auch Herzensbildung und Charakterbildung. Das hat Kolping schon in seiner Kindheit erfahren: das Gefühl und Glück, in der Geborgenheit der Familie geliebt und getragen zu sein und in Gott Halt zu finden. Kolping drückt dieses innere Streben nach Bildung, das ihn angetrieben hat, so aus: „Ja, werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Das ist die göttliche Grundregel aller wahren Bildung.“


Mittwoch, 13. Dezember 2023

Kolping: Weltfamilie


"KOLPING INTERNATIONAL versteht sich als eine lebendige Weltfamilie, in der sich alle solidarisch umeinander kümmern. Ob in Europa, Afrika, Asien oder Amerika: In über 9.000 Kolpingsfamilien haben sich Menschen vereint, die sich gegenseitig helfen und gemeinsam etwas für alle Menschen bewegen wollen." So beschreibt der internationale Sozialverband sich selbst auf seiner Webseite.

Diese Weltgemeinschaft konnte ich im Herbst in Köln beim internationalen Gottesdienst anlässlich der Generalversammlung erleben. Ich war schon in der Minoritenkirche, als nach und nach die Delegierten der Kolpingwerke aus aller Welt ins Gotteshaus kamen, nass vom Regenschauer mit einem freundlichen Lächeln. Es gab ein großes Hallo mit Delegierten aus Deutschland und aus unseren Partnerländern Bolivien und Litauen. Die beiden Bolivianerinnen kannte ich davor nicht, mit der Litauerin hatte ich bis dahin nur Kontakt per E-Mail oder Videochat. Dennoch war da sofort diese Herzlichkeit spürbar. KOLPING verbindet über Grenzen und Sprachen hinweg. Auf die langjährige Partnerschaftsarbeit unserer Kolpingwerke, auf persönliche Begegnungen durch frühere Reisen können wir heute unsere Freundschaften bauen. Dort in der Minoritenkirche wurde aus fremden Menschen ein Wir, vereint in Gebet und Musik am Grab des Verbandsgründers Adolph Kolping. Durch ihn und sein Lebenswerk, das bis heute in Kirche und Gesellschaft wirkt, werden wir zu Kolpinggeschwistern einer Weltfamilie. 

Warum erzähle ich das in einem Impuls zum Advent? In den nächsten Wochen sehen wir dem Fest der Menschwerdung entgegen. Jesus, Gottes Sohn, taucht nicht einfach so aus dem Nichts oder dem Himmel in der irdischen Welt auf. Er wird in eine Familie hineingeboren mit Maria und Josef als liebevolle, sorgende Eltern und das Markusevangelium erwähnt mehrere Geschwister. Denn Mensch ist man nicht für sich allein: Einerseits sind wir Individuen, doch zugleich auch soziale Wesen und auf Miteinander und Zusammenhalt angewiesen. 
Ich und Du ergänzen sich zum Wir. 

Wir sind Teil von Gemeinschaft: in Familie, Freundeskreis, Schule, Beruf und Freizeit. Für Adolph Kolping war die Familie die wichtigste, grundlegende und darum schützenswerte Zelle der Gesellschaft. "Daran erkennt man eine kath. Gemeinschaft, dass sie Familie ist." Dieser Satz nach Adolph Kolping hängt im Pfarrsaal meiner Heimatgemeinde. Die Kolpingsfamilie hat ihn vor Jahrzehnten dort angebracht. Begegnungen und Erlebnisse bei KOLPING haben mich geprägt, mir Möglichkeiten eröffnet und dazu beigetragen, dass ich mich entwickeln konnte zu der Person, die ich heute bin. Ich bin reich beschenkt durch diese Weltfamilie und stehe gleichzeitig in der Verantwortung, meinen Anteil beizutragen. Ganz im Sinne: Fiel a Kolping! Ištikimas Kolpingui! Treu Kolping!

Menschwerden und Menschsein heißt, in Beziehung zu leben – in Beziehung zu unseren Mitmenschen und in Beziehung zu Gott. 

Möge es uns gelingen, in der vor uns liegenden Zeit nicht nur Häuser und Straßen zu schmücken, sondern auch unsere Herzen zu bereiten für die Ankunft des Gottessohns.


Mittwoch, 15. März 2023

Nenn mir einen Grund, in der Kirche zu bleiben!


"Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen." - So zitierte eine junge Frau, Mitglied des Synodalen Wegs, während der fünften Synodalversammlung im März 2023 Adolph Kolping. Die zweite Lesung des Handlungstexts "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" führte zu einer langen und kontroversen Diskussion. Am Ende wurde ein aus Bischofssicht "strategisch-kluges" Kompromisspapier beschlossen.

Das Ganze hat mich an meine Kindheit erinnert. Damals in der 6. Klasse wollten wir so gerne Messdienerinnen werden, aber der Pfarrer erlaubte es nicht. Seine Begründung stütze er auf das vatikanische Verbot: Jungen durften Dienst am Altar tun, also Messdiener werden, Mädchen nicht. Seine Lösung war: Die Mädchen konnten ja zu Kolping gehen. Das hat die Jugendarbeit in unserer Pfarrei für Jahre geprägt. Wir waren damals bereits eine Kolpinggruppe und von der strikten Haltung des Pfarrers sehr enttäuscht, zumal in Nachbarorten sehr wohl Messdienerinnen ihren Dienst taten.

Warum bin ich dennoch in dieser hierarchisch und ständisch verfassten, krisenbelasteten Kirche geblieben, die mir schon früh und immer wieder Illusionen genommen hat? 

Zum einen, weil gute Menschen mich den Glauben gelehrt haben: meine Eltern, meine Großeltern, meine Familie. Sie haben mich mit Liebe und Geborgenheit umgeben, mich unterstützt und mir Halt gegeben. Sie haben mich auch in die Kirche mitgenommen und mir ein Gottvertrauen vorgelebt und geschenkt, das mich durch manch schwere Zeit getragen hat. Wir haben über Gott und die Welt geredet und sie gemeinsam erlebt. Später haben Begegnungen bei Kolping mich geprägt, auch dort konnte ich mich entfalten und zu der Person werden, die ich heute bin.

Und zum anderen, weil ich denen, die keine Veränderung der Kirche wollen, das Feld nicht überlassen will. Mit Vielen will ich Stimme der Veränderung sein. Die 2000-jährige Kirchengeschichte zeigt, dass Kirche sich immer verändert, um Wahrheit und Wahrhaftigkeit gerungen und aus schweren Fehlern gelernt hat. Wenn die Rede vom Bauen am Reich Gottes ist, dann stelle ich mir kein Gefängnis, keine Mauern vor, sondern ein helles, weites Land, in dem ich atmen kann.
Verharren in destruktiven Strukturen, Stillstand sind Tod. Leben ist Veränderung, Wandlung, Erneuerung. Das sehen und erleben wir jetzt im Frühling. In Gottes wunderbarer Schöpfung wächst, grünt und blüht es. Das wünsche ich mir auch für unsere Kirche: dass sie ihre Buntheit und Vielfalt lieben lernt, dass sie allen Geschöpfen Gottes mit gleichberechtigtem Respekt begegnet, dass sie Fesseln löst und Entfaltung ermöglicht und dass sie frohmachende Botschaften verkündet. Dafür hat Jesus den Tod überwunden und uns den Weg hin zu einem Leben in Gottes überfließender Liebe gezeigt.


Mittwoch, 21. Dezember 2022

Menschwerdung – one love Gottes


1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott
 und das Wort war Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es
wurde nichts, was geworden ist.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt
und wir haben seine Herrlichkeit geschaut ... (Joh 1)

Nur noch wenige Male ausschlafen, dann feiern wir Menschwerdung. 
Menschwerdung Gottes! In dem Kind in der Krippe wird Gott leibhaftig Teil der Schöpfung, will das Leben mit uns gehen von der Geburt bis zum Tod, von der Krippe bis zum Kreuz und darüber hinaus. Gott wird Mensch, um uns Erlösung zu bringen. "Christ der Retter ist da", werden wir in wenigen Tagen wieder singen. 

In der Menschwerdung bestätigt Gott den Bund mit den Menschen, geschlossen mit Noah im Zeichen des Bogens, der sich vom Himmel bis zur Erde ausstreckt. Wann immer wir diesen Bogen sehen, erinnert er uns, dass wir Gottes Geschöpfe sind, dass Gott mit uns ist und war und sein wird. Mit dem Bogen breiten sich alle Farben des Lichts über der Erde aus, eine Fülle an Licht und Leben.

4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,
 kam in die Welt. (Joh 1)

In der Menschwerdung zeigt Gott Flagge, bekennt Farbe für die Schöpfung, die Menschen. Gott wurde Mensch aus und in Liebe. Gottes Liebe eint, heilt und befreit. Sie nimmt alle Menschen an, jede und jeden in ihrer und seiner Einzigartigkeit. Gottes Liebe unterscheidet nicht, bevorzugt nicht und grenzt nicht aus. 
"Die Menschen sind alle nach Gottes Ebenbild geschaffen und sollen darum respektiert werden", schrieb Adolph Kolping vor über 150 Jahren. 

Nur noch wenige Male ausschlafen, dann feiern wir Menschwerdung. 
Menschwerdung Gottes! Auch in unseren Herzen will Gott Mensch werden, uns anstecken mit der Liebe, die einen, heilen und befreien will. Sind unsere Herzen bereit?

Gott hat nur eine Liebe. Menschwerdung – one love Gottes.


Sonntag, 24. April 2022

Mein Schreibexperiment


In der Fastenzeit habe ich am Schreibexperiment von
Susanne Niemeyer teilgenommen. Unter dem Leitsatz "Anders als gedacht" gab‘s mittwochs und sonntags Schreibimpulse: vierzehn Mal Übungen und Ermutigung zu "Wortakrobatik und Gedankenweitwurf". Auf überraschenden Umwegen entstanden schließlich die folgenden Texte.


1 Sehen

Umzugskisten voller Gedanken

Sie stehen in jedem Zimmer meines Seelenhauses 
gefüllt mit Geschichten und Erinnerungen, 
Begegnungen, Erlebnissen – nicht nur meine eigenen, 
auch die meiner Eltern, Großeltern, meiner Familie.

Vor dem Umzug war nicht die Zeit, sie zu sortieren, zu entscheiden:
Was will ich verabschieden, was ent-sorgen, was bewahren? 
Und was schenke ich weiter?

Ich suche nach der Formel für den Zauber, 
der jedem neuen Anfang innewohnt.


2 Weitersehen

Selige Zuversicht

Selig, die in der Wüste einen Baum pflanzen, 
ihnen gehört das Himmelreich.

Selig, die ihren Talenten trauen, 
sie werden gesättigt werden.
 
Selig, die Ja zum Leben sagen, 
sie werden das Land erben.
 
Selig, die Gottes Umarmung spüren, 
sie werden getröstet werden. 

Selig, die ohne Schirm im Regen tanzen, 
sie werden Kinder Gottes genannt werden.


3 Schmecken

Mittwoch

Wie ausgelutscht und ausgespuckt.

So fühle ich mich heute Morgen.
Schlecht geschlafen, falsch gelegen,
der Rücken zwickt. Der Kaffee hilft nur mäßig.
Ich öffne das Fenster und lasse 
Luft herein, kühl und frisch.
Die Vögel rufen sich ihre Tagespläne zu.
Ihr Zwitschern vertreibt meine Unlust.
Hach!


4 Feinschmecken

Das könnte mir wohl gefallen

Kaffeekränzchen statt Kanonenfutter 
Blickkontakt über den großen Tassenrand
und Milchschaumküsse zur Versöhnung


5 Fühlen

Mut und Überraschung

Gesucht

Suche Weggefährt*in!
Auf unserer gemeinsamen Reise wollen wir Abenteuer erleben,
Drachen besiegen und die Welt verbessern.
Bereit? Dann melde dich!

Kontakt: sei[at]mut.ig

PS: Fürchte dich nicht, das Leben hat viele Farben.


Das anschließende Blind Date

"Wow", entfährt es dem Mut. "Du nimmst das mit den vielen Farben wirklich ernst." Die Überraschung lächelt und nimmt Platz auf der Bank. "Na klar", antwortet sie. "Die Natur liebt Farben, die Welt ist bunt und wild wie diese Blumenwiese." Sie atmet tief und zufrieden ein. 
Der Mut betrachtet die Überraschung. Ihre Haare sind feurig rot, der Pulli regenbogenfarben gestreift und der Glockenrock strahlt gelb wie der Sonnenschein. Er selbst ist eher zweckmäßig gekleidet mit Latzhose und Weste mit vielen Taschen für all seine Abenteuerutensilien. Er seufzt. "Heute Morgen", sagt er, "stand in meinem Kalender: Du wächst, wenn du vom Leben überrascht wirst." Sie sieht ihn an und lacht: "Ich liiiebe solche Weisheiten." 
Der Mut greift nach der Hand seiner farbenfrohen Überraschung. "Dann auf, ziehen wir los und wachsen zusammen!"

Ein leichter Wind weht, ein Schmetterling setzt sich auf die freie Bank.














Unterwegs habe ich ihre bunte Botschaft entdeckt. ;-)


6 Einfühlen

Herzmuschel-Amen

Gott fühlt tief
die Weite des Meeres
die Brise des Windes
den Schmerz der Vergänglichkeit
von 1000 Jahren


7 Gleichgewicht

Im Rhythmus

Trauermücken in der Blumenerde
Roter Paso Doble
Gerüche von draußen, die ich nicht mag
Roter Paso Doble
Der nicht erledigte Wäscheberg
Roter Paso Doble
Dauerjammern auf hohem Niveau
Roter Paso Doble
Zunehmende Gleichgültigkeit
Roter Paso Doble
Zu viele Stops, zu wenige Gos
Roter Paso Doble


8 Leichtgewicht

Engels Stärkung

Steh auf und iss!
Bienenlachen
Sternensummen
Vanilleschimmer
Schlafstreusel
Lichtblütenblätter
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
(1 Kön 19, 7)
     


9 Hören

Weltenmaler

nrrscht!
Ach, wär’s doch nur so einfach:
ein beherzter Pinselstrich –
und alles Unrecht ist aus der Welt.
Steh Deiner Schöpfung bei,
vor allem uns Menschen!
Amen.


10 Aufhören

An die Menschheit

Eine neue Zeit beginnt. 
Steht freudig auf, erhebt euch! Lebt, blüht!
Alles auf Anfang. 
Schneidet die alten Zöpfe ab, putzt euch heraus!
Werft Ballast über Bord und lüftet die Hirne!
Alle Türen stehen offen.


11 Riechen

Flieder, Freude, Eierkuchen

Heimat riecht nach einem Garten und Bienen, die von Blüte zu Blüte summen. 
Heimat riecht nach süßem Trost.
Heimat riecht nach Erwachen aus tiefem Schlaf.
Heimat riecht nach Sonntag und Familienspaziergang.
Heimat riecht nach einem Rendezvous mit mir selbst.
Heimat riecht nach Zusage und Geborgenheit.


12 Reichen

Ode an den Klebefilm

O Klebefilm, du praktischer Verbinder! Bescheiden gewährst du Durchsicht, willst, worauf du gesetzt, nicht verdecken. Transparenz ist deine Stärke.

Du bist im doppelten Sinn ein Kunststoff. Daraus hergestellt wirkst du daran mit, Kunst zu machen. Bei allerlei Arten Verpackungen wirst du Teil des Geschenks. Mit dir lässt sich auch prächtig basteln, oft wirst du dabei zur dritten Hand.

O Klebefilm, du unterschätzter Sanierer! Beharrlich fügst du zusammen, was zerrissen. Einen Brief in 1000 Fetzen machst du ganz und ebenso das ausgefranste Eselsohr. Haftung ist deine Kraft.

Kurzum: Du bist, was manche Welt im Äußeren zusammenhält.


13 Trauen

Liebesruf

Ich ging in die Stadt und lauschte, wie er es mir gesagt hatte.
Ich hörte das Rauschen von vorbeifahrenden Autos, Fahrradklingeln und Stimmengewirr. Irgendwo tönte Musik aus einem Ghettoblaster, das Läuten von Kirchenglocken setzte sich darüber.
In einer kleinen Straße vor einem alten Haus mit wildem Garten hielt ich inne. Da rief mit süßer Melodie ein Zaunkönig nach seiner Zaunkönigin.

Hörst du es auch?


14 Vertrauen

Ostermorgen

Herzlachenfülle
Gedankenfederleichtigkeit
Freudentanzschritte
Himmelsglückseligkeit
Lebensmorgenhalleluja

Mittwoch, 23. März 2022

Die Drachen unserer Zeit



Krieg ist einer, ebenso Rassismus, Missbrauch und Diskriminierung, Armut, Hunger, Klimakatastrophen und Pandemien … Die Drachen unserer Zeit beherrschen unser Leben, unser Fühlen, Denken und Handeln. 

Seit jeher findet sich der Drache als Motiv in den Bildern und Geschichten der Kulturen rund um den Globus. Ihm ist sogar ein Sternbild am Nordhimmel gewidmet. In der Bibel verkörpert der Drache das Menschenfeindliche und Böse. In der Offenbarung des Johannes kommt es zum endgültigen Kampf, in dem der Erzengel Michael den Drachen, der für den Teufel steht, aus dem Himmel verbannt (Off 12, 9). Auch 
Heiligenlegenden berichten von Drachenbesieger*innen, unter den populärsten ist der heilige Georg, einer der 14 Nothelfer.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich ein weiterer Drache erhoben, als wären wir nicht schon genug geschlagen – gerade in den vergangenen zwei Jahren. Tapfer sind wir mit Kontaktverzicht und Masken gegen die Coronapandemie gezogen, haben Kräfte und Mittel mobilisiert für die Menschen weltweit, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Wir sind gegen den Raubbau an unserer Erde und gegen den Klimawandel auf die Barrikaden gegangen. Und nun beten wir für den Frieden, sammeln Notwendiges für die Menschen im Kriegsgebiet und bereiten Unterkünfte für die, die der Hölle entkommen. 

Neben all diesen globalen Drachen da draußen fordern uns dann auch noch unsere eigenen, inneren Drachen heraus – sehr persönlich, meist, wenn wir allein sind und besonders verletzbar: Depression, Trauer, Krankheit, Verlustangst … Sie beherrschen unsere Gefühle und Gedanken noch mehr und lähmen uns in unserm Tagwerk. Der Sieg über diese Drachen ist ein noch größerer. Er kann uns befreien und stark machen. Und dabei müssen wir nicht wie Heldenmütige und Heilige allein hinausziehen gegen diese Drachen. Wir können und dürfen uns Unterstützung suchen und finden sie in der Familie, bei Freund*innen und professionellen Drachenbesieger*innen.

Ich will Verbündete finden in meinem Kampf gegen meine inneren Drachen. Und wenn ich am Nachthimmel den Drachen entdecke (ganz in der Nähe des kleinen und des großen Bären), dann rufe ich ihm im überzeugendsten Brustton entgegen: "Ha! Ich siege!"

Dann wird Ostern in mir.


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Impuls zum Jahresthema von Kolping im Diözesanverband Trier:
Wage zu träumen! Mit Zuversicht gemeinsam Siege gestalten

Mittwoch, 15. Dezember 2021

Wie eine kleine Pflanze in der Wüste


Impuls zum Jahresthema von Kolping im Diözesanverband Trier:


Wage zu träumen! Mit Zuversicht gemeinsam … gestalten


Schlägt man im Duden das Wort Zuversicht nach, wird folgende Erklärung geliefert: "festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen".
Aber woher kommt die Zuversicht, dieses feste Vertrauen? Was lässt uns Menschen in Zeiten voll Leid und Finsternis positiv nach vorn schauen?

Mir kommt da ein Lied aus Taizé in den Sinn, dass mich tröstet, wenn ich es singe und wieder singe:
     Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht,
     Christus, meine Zuversicht,
     auf dich vertrau ich und fürcht‘ mich nicht!
Im Gotteslob findet sich dieses Lied unter der Nummer 365. Zufall oder nicht: 365 Tage hat das Jahr und am Ende des Matthäusevangeliums sagt uns Jesus zu:
     Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt. (Mt 28, 20)

Mit dieser Verheißung dürfen wir gut gerüstet nach vorn schauen. Wir gehen nicht allein durchs Leben. Gott liebt seine Schöpfung so, dass er selbst darin Mensch wird. Das glauben wir, das feiern wir an Weihnachten: die Geburt Jesu Christi, des Sohnes Gottes. 
Jesus teilt das irdische Leben mit uns von Anfang an – vom Kindsein, Heranwachsen, Erwachsensein bis hin zum Tod am Kreuz. Er selbst hat die Erfahrung von großem Leid und tiefer Finsternis gemacht und gehadert mit Gott damals im Garten am Ölberg. Und dennoch fühlt Jesus sich getragen von diesem Gott, den er Vater nennt, und erzählt in seinen Gleichnissen und all seinem Handeln von der Liebe dieses Gottes zu den Menschen. 
Das Geheimnis, das Jesus uns am Ende seines irdischen Lebens für unseren Glauben hinterlässt, ist Wandlung, ist Entwicklung und Veränderung, ist Auferweckung zu neuem Leben.

Aus dem Glauben an die Frohe Botschaft dürfen wir Zuversicht und Mut schöpfen, auch dann, wenn die Hoffnung verloren scheint. In der Wüste wächst eine kleine Pflanze, trotzig, mit kräftigen Wurzeln. Verwurzelt in Gott und mitten im Leben – so steht es im Leitbild des Kolpingwerks.

Wage zu träumen! Mit Zuversicht! Gemeinsam Leben gestalten!


Mittwoch, 27. Oktober 2021

In den Mund gelegt


anlässlich "30 Jahre Seligsprechung Adolph Kolpings"
(Pontifikalamt im Trierer Dom)


Gestatten, dass ich mich vorstelle. Vielleicht haben Sie mich auch schon erkannt.
Adolph Kolping, Priester mit besonderer Berufung!

Sie – oder vielleicht darf in guter Tradition sagen – ihr seid heute zusammengekommen, weil der Heilige Vater mich vor 30 Jahren zum Seligen erhoben hat. Wie heißt es in dem Gesetzestext für solche Verfahren: "Unter ihnen wählt Gott in jeder Zeit viele aus, damit sie, die dem Vorbild Christi in besonders enger Weise nachgefolgt sind, durch Vergießen ihres Blutes oder durch heroische Tugendübung ein vorzügliches Zeugnis für das Himmelreich ablegen." 

Nun, Märtyrerblut habe ich nicht vergossen und auch heroisch möchte ich mich selbst nicht nennen, aber die Tugenden des Christentums waren mir tägliche Übung und Richtschnur für mein Leben. Das habe ich in meiner eigenen Familie mit 4 Geschwistern, liebenden Eltern und einem nur allzu gütigen Großvater erfahren, verinnerlicht und es in meinen Gesellenvereinen den jungen Menschen ans Herz gelegt. Stets hat mich die Botschaft Jesu inspiriert, mir Ideen eingegeben, wie ich die Sorge für die Menschen in Not umzusetzen hätte in Taten, auf dass es deutlich werde, dass alle Menschen einer weltweiten Familie angehören. Darum bin ich mit dem Gesellenverein nicht in Elberfeld geblieben, sondern habe sogleich dort wieder einen Verein gegründet und Häuser für die Gesellen eröffnet, wo meine Lebenswege mich hinführten. Letztlich dienten die Stationen als Schustergeselle, als spätberufener Gymnasiast, Student und schließlich Priester nur dem einen großen Ziel: Gott und den Menschen zu dienen. Die Menschen, die ich traf, lehrten mich, was zu tun sei: mutig mich immer wieder zu wandeln, bis an die Grenzen und darüber hinaus zu gehen und dabei die Zeichen und die Nöte der Zeit zu sehen und sie stets neu zur Grundlage meines Handelns zu machen!

Dass nach meinem Tode das Werk immer weiter fortschritt, wuchs und bis zum heutigen Tage wächst überall auf der Welt – denn andernfalls wäret ihr heute nicht hier mit mir in diesem ehrwürdigen Hause Gottes –, dafür danke ich dem Herrn, der mich in meinem Leben durch dick und dünn getragen hat. Tief berührt bin ich, wie ihr in diesem Werk den hohen Wert der Solidarität auf so vielfältige Weise lebt: Mit "Hilfe zur Selbsthilfe" wahrt ihr die von Gott einem jeden Menschen eingegebene Würde, sät mit tätiger und wertschätzender Caritas Zukunftshoffnung für viele Menschen in den Ländern dieser Erde, auch in diesem. 

Ihr kennt mich als fleißigen Publizisten, dies will ich euch ins Herz einschreiben: Nehmt wahr, was um euch herum, im Haus nebenan wie auch in der Ferne vorgeht! Nehmt wahr, wo die Not ist, und nehmt an, was eure Aufgabe in dem Ganzen sei! Werdet zur Stimme der Verstummten, traut euren Eingebungen und euch etwas zu! Probiert neue Wege, solche, die vielleicht noch angelegt und befestigt werden müssen! Macht euch gemeinsam auf! Schließlich ist eure Stärke, dass ihr viele seid mit vielen Talenten und Fähigkeiten, dass ihr miteinander für andere als Familie zusammensteht. Treu dem Werk, dem ich meinen Namen geben durfte: Treu Kolping!

Mittwoch, 3. März 2021

Mit Zuversicht: Vision und Lebenstraum


"… und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe!" (Lk 10,9b)
 











Was siehst du in den Zinnen des alten Klostertors auf dem Berg Karmel?
Kannst du sehen, was ich darin sehe? 

Zwei eiserne Wächter oder Wächterinnen,
übriggeblieben aus einer Reihe von vielen,
standhaft und pflichtbewusst, mutig und trotzig. 

Was lenkt ihren Blick und was ihr Tun?
Was verteidigen sie? Über was wachen sie dort, auf erhobenem Posten mit Blick in die weite Ebene?
Sie haben eine Aufgabe, vielleicht erwachsen aus einem Lebenstraum, einer Vision. Sie war und ist ihnen so wichtig, dass sie dieser Sache die Treue halten – und einander – und sich selbst.
 

Mich haben die beiden eisernen Wächter*innen dazu bewegt, mehr in ihnen zu entdecken, meinen Blick für sie zu öffnen und dieses Foto zu machen. Die Perspektive auf Dinge und Zusammenhänge verändern, dazulernen und meinen Horizont erweitern – so kann ich mich entwickeln, mir neue Wege und Möglichkeiten erschließen und meinen Lebensträumen entgegenwachsen. Allen Zweifeln und Unkenrufen zum Trotz!
Gegen Widerstände durch festgezurrte Traditionen und Strukturen oder gutgemeinte Ratschläge die eigenen Visionen und Träume zu verwirklichen, erfordert Mut und Ausdauer und Kraft. Jeder Umweg, jede Sackgasse und jedes Hindernis machen uns reicher an Erfahrung. Und immer wieder hilft der Blick von oben, von Bergeshöhen über die weite Ebene der eigenen Talente und Stärken.
 

Adolph Kolpings Traum war seit Kindertagen zu lesen, zu lernen, zu studieren und schließlich Priester zu werden. Das lenkte seinen Blick und sein Tun. Im Vertrauen auf Gott hat er zielstrebig Hürden genommen, seinen Lebenstraum verfolgt und wahrgemacht. Mit den Erfahrungen all seiner Lebensstationen konnte er dann das aufbauen, was heute im Kolpingwerk weiterwirkt. 

Was siehst du in den eisernen Torzinnen? Was lenkt deinen Blick und was dein Tun?
Kleide deine Vision in Worte, wage den ersten Schritt und vertrau auf deine Stärke!


"… du hast mich gelehrt, meine Flügel nie zu verstecken,
nach den verrücktesten Dingen zu streben
und immer an die Güte der Menschen zu glauben …"
aus dem Song "Dreamer" von Noa (Achinoam Nini)


Samstag, 19. Dezember 2020

Friedenslicht


Das Hoffnungslicht kommt aus Bethlehem.
Irrtum! Wahr ist doch,
Das verheißene Land ist seit jeher Krisengebiet mit negativen Schlagzeilen.
Erzähl du mir nicht,
Dass wirklich Frieden werden kann unter den Völkern.
Dass Grenzen überwunden werden.
Dass Menschen einander ehrlich die Hände reichen.
Denn ich beobachte,
Dass Streit, Krieg, Gewalt und Finsternis überall herrschen.
Ich kann nicht glauben,
Dass Frieden sich ausbreitet wie ein Licht, das weitergegeben wird.
Dass Frieden eine Entscheidung ist, meine und deine.
Dass schon ein einziger Lichtstrahl einen neuen Morgen macht.
Wir beide wissen doch,
Dass das Licht einer Kerze rein gar nichts bewirken kann.
Ich bin skeptisch, wenn ich höre,
Ein Friedenslicht geht um die Welt.


Und nun lies den Text von unten nach oben!





Freitag, 18. Dezember 2020

In der Tiefe unsrer Nacht



In der Tiefe unsrer Nacht
schneit über uns herein
die himmlische Kunde
vom Frieden auf Erden. 

In der Tiefe unsrer Nacht
läutet in unsre Herzen
die himmlische Kunde
von der Geburt des Erlösers.

In der Tiefe unsrer Nacht
leuchtet in unsre Seelen
die himmlische Kunde
von der Menschwerdung Gottes.


 

Aquarell: Christian Wagner

Montag, 30. November 2020

Die Schönheit der Schneeflocke


Damals an einem kalten Tag im Winter war es so weit: Die kleine Schneeflocke stand am Rand der Sprungschanzenwolke, streckte sich noch einmal bis in ihre letzten Kristallspitzen, atmete eine Portion Mut ein und sprang in den Wind. Mit vielen Freundinnen wirbelte sie durch die Luft, ließ sich tragen und genoss die schwerelose Freiheit. Durch eine kleine Wolkenöffnung schickte die Sonne einen Lichtstrahl, der die Schneekristalle zum Funkeln brachte. Die kleine Schneeflocke war stolz auf ihre schöne Erscheinung und freute sich, dass die Sonne ihr Glitzern hervorhob. 

Als sie noch mit den anderen in der Wolke wohnte, gab es regelmäßig Wettbewerbe, wer die feinsten Kristalle bilden konnte. Weil die kleine Schneeflocke Wert auf gutes Aussehen legte, achtete sie sehr auf die Reinheit des Wassers, das sie in sich aufnahm. Und so waren ihre Kristalle klar und makellos. An diesem Wintertag wirbelte sie also freudestrahlend durch die Luft der Erde entgegen und landete auf dem Handschuh eines kleinen Mädchens, das im Schnee tanzte und jauchzte. 

"Mama, sieh nur! Wie wunderschön diese Schneeflocke ist! Sie glänzt wie Silber und Edelstein!" Sie reckte der Mutter ihre kleine Hand entgegen. "Ich will sie küssen, weil sie mir so sehr gefällt." Als die warmen Lippen die kleine Schneeflocke berührten, schmolz sie und blieb als Tropfen in der Hand des Mädchens zurück. "Oh nein", rief das Mädchen, "Mama, ich habe die schöne Schneeflocke kaputt gemacht!" 

"Sei nicht traurig!", tröstete die Mutter ihr Kind. "Es ist so: Die kleine Schneeflocke hat sich durch deine Berührung verwandelt. Doch ihre Schönheit steckt immer noch in diesem Tropfen. Schau genau hin, wie er das Licht reflektiert und wie der Himmel sich darin spiegelt! Und das reine Wasser dieser kleinen Schneeflocke ist köstlich. Es stillt deinen Durst und gibt dir Lebenskraft."