„… schon frühe regte sich eine große Lernbegierde in mir, die mein Lehrer, ein in jeder Hinsicht ausgezeichneter Mann, wohl zu wecken und anzufeuern verstand. Die glücklichsten Stunden meines Lebens habe ich unter seinen Augen zugebracht, wenn er mit der Liebe eines Vaters seinen aufhorchenden Schülern die Lebensgeschichten großer Männer erzählte oder ihnen Kenntnisse mitteilte, die, wenn sie auch außer dem Kreise einer gewöhnlichen Landschule lagen, doch dem wißbegierigen Knaben so willkommen waren. Aber gerade dadurch wurde jener Trieb nach einer höheren Ausbildung in meine Seele gepflanzt, den ich später nicht mehr unterdrücken konnte.“
Das schreibt Adolph Kolping in seinem Curriculum Vitae, in dem er kurz vor seinen Abiturprüfungen auf sein bisheriges Leben zurückblickt. Als jüngstes Kind hatte Kolping das Privileg, statt Pflichten im Familienalltag übernehmen zu müssen, den Geschichten seines Großvaters zu lauschen, die ihm wohl früh neue Gedankenwelten eröffnet hatten. In der Schule war es sein Lehrer, der ihm mit Geschichten die Leselust ins Herz pflanzte. Mit 12 Jahren musste er diese Leidenschaft hintenanstellen, denn Kolping begann die Lehre als Schuhmacher. Das Handwerk erlernte er mit Fleiß und versuchte, seine Kenntnisse in den Wanderjahren immer weiter zu verbessern und schaffte es bis in Kölns erste Werkstatt. Glücklich war er allerdings auch dort nicht. Die Situation der Handwerksgesellen in seiner Zeit war zu prekär und Kolping verabscheute das Milieu.
„Das Bewußtsein meiner unglücklichen Lage wurde noch schmerzlicher, als ich durch die Leserei, der ich mich nie entwöhnen konnte, ganz andere Begriffe über den Menschen, seine Bestimmung, über die Würde einer höheren Bildung erlangte. Ich fand mich vereinsamt mitten unter meinen Standesgenossen, an eine Lebensweise gebunden, die mir allmählich Grauen einflößte, und doch keinen Ausweg vor mir, aus diesem Labyrinthe zu entkommen. … noch erbebt mein Inneres, wenn ich an die schrecklichen Tage gedenke, die ich dort mitten unter der Liderlichkeit und Versunkenheit von Deutschlands Handwerks-Gesellen zugebracht habe.“
Harte Worte findet Kolping in seinem Lebenslauf und beschreibt dann sein Glück, in seiner Familie Wohlwollen und bei Förderern die Unterstützung zu finden, um seinem Drang nach Wissen und Bildung erst im Gymnasium und später im Theologiestudium nachzugehen. Er war ein fleißiger Lernender und froh dem ungeliebten Milieu entkommen zu sein.
Und dann wird er in Elberfeld ausgerechnet wieder mit der Misere der Handwerksgesellen konfrontiert – und im Elberfelder Gesellenverein des Lehrers Johann Gregor Breuer mit einem Weg, der prekären Lage etwas entgegenzusetzen. Häuser für Gesellen und vor allem Bildung für Gesellen.
Bildung ist Erlangen von Wissen, Kenntnissen, Fertigkeiten – zuerst lesen, rechnen, schreiben. Kolping war bei seiner Mission, die Welt durch Bildung zu verbessern, ein ebenso passionierter Schreiber wie Leser. Doch Bildung meint wesentlich auch Herzensbildung und Charakterbildung. Das hat Kolping schon in seiner Kindheit erfahren: das Gefühl und Glück, in der Geborgenheit der Familie geliebt und getragen zu sein und in Gott Halt zu finden. Kolping drückt dieses innere Streben nach Bildung, das ihn angetrieben hat, so aus: „Ja, werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Das ist die göttliche Grundregel aller wahren Bildung.“