Als der Papst endgültig die Kirche schließt, atmet Gott
erleichtert auf.
"Na endlich", nuschelt er in seinen Bart, "es hat auch nur
zweitausend Jahre gedauert." In Ewigkeitszeit ist das nur ein Wimpernschlag, in
Erdenzeit schon etwas mehr und in Menschenzeit sehr, sehr lange.
Gott lehnt sich über die Himmelskante und sieht hinab auf
Rom, wo die versammelten älteren Herren in Rot den Papst anblicken und die Welt
nicht mehr verstehen. Wie auch? Sie sind jetzt arbeitslos, auf einmal nicht
mehr mächtig und sie wissen so gar nicht, was sie nun anfangen sollen.
"Hey Papa", Gottes Sohn gesellt sich zu ihm. "Was ist denn
da auf Erden los?"
"Sie sind endlich vernünftig geworden, naja, wenigstens einer von ihnen: Der
Papst hat sich von einer Last befreit. Die anderen haben es nur noch nicht
erkannt."
"Alles auf Anfang?", fragt Gottes Sohn.
"Nicht ganz, aber alle Möglichkeiten sind wieder offen. Endlich."
Unten in Rom bombardieren die Kardinäle ihren Papst mit
Fragen.
"Was hast du dir dabei gedacht?"
"Was machen wir nun mit unseren schönen Kirchenhäusern?"
"Wem geben wir jetzt die Richtung vor?"
"Sollen alle unsere mühsam erarbeiteten Gesetze und Regeln in den Wind
geschossen werden?"
"Wo soll …"
Der Papst hebt müde seinen Arm. "Geht nach Hause", sagt er. "Schlaft eine Nacht
drüber. Ich nehme meine Entscheidung nicht zurück. Wir sehen uns morgen um 8 am
Ufer des Tiber neben der Engelsburg." Und er lässt die verdutzten Kardinäle
einfach stehen.
"Was war jetzt das?", fragt oben an der Himmelskante der
Erzengel Michael, der auf seiner Nachmittagsrunde bei Gott und seinem Sohn
vorbeischaut.
"Der Papst hat die Kirche geschlossen – für immer", erklärt Gottes Sohn.
"Brauchen sie Hilfe da unten?", fragt Michael.
"Ich bin nicht sicher", sagt Gott. "Warten wir morgen ab."
Schon vor 8 waren die Kardinäle am Ufer des Tiber, alle in
ihren roten Roben, um wenigstens so ein Stückchen Wichtigkeit zu signalisieren.
Der Papst kam barfuß und in leichtem Gewand. "Lasst uns im Flusswasser die Füße
vertreten. Das wird am frühen Morgen die immer noch erhitzen Gemüter kühlen."
Und er klettert auf einen Stein am Ufer, taucht den linken Fuß unter Wasser. Dann
watet er langsam in den Fluss.
"Wie jetzt?", einer der Kardinäle ist entsetzt. Ein anderer macht es dem Papst
nach und dann ein zweiter. Sie spüren Steine und Sand unter den Füßen,
fließendes Wasser um ihre Knöchel. "Schööön!", entfährt es einem. Bald steht
nur noch eine kleine Gruppe der Hartnäckigen in Lacklederschuhen am Ufer.
"Die Unbelehrbaren", seufzt Gott oben an der Himmelskante. "Michael, ihnen schickst du einen deiner Engel im Traum. Sie sollen sich erinnern, wie es war in ihren Kindertagen, als sie barfuß und unbeschwert die Welt entdeckt haben. Damals kannten sie keine Grenzen und sie pfiffen auf mühsame Gesetze. Das ganze Leben stand ihnen offen mit all seinen Farben. Damals, als sie neugierig waren und sich anfreundeten mit sich selbst und mit den Menschen – und mit mir."