Freitag, 13. Dezember 2024

Eine Causa finita?


Als der Papst endgültig die Kirche schließt, atmet Gott erleichtert auf.
"Na endlich", nuschelt er in seinen Bart, "es hat auch nur zweitausend Jahre gedauert
." In Ewigkeitszeit ist das nur ein Wimpernschlag, in Erdenzeit schon etwas mehr und in Menschenzeit sehr, sehr lange.

Gott lehnt sich über die Himmelskante und sieht hinab auf Rom, wo die versammelten älteren Herren in Rot den Papst anblicken und die Welt nicht mehr verstehen. Wie auch? Sie sind jetzt arbeitslos, auf einmal nicht mehr mächtig und sie wissen so gar nicht, was sie nun anfangen sollen.

"Hey Papa", Gottes Sohn gesellt sich zu ihm. "Was ist denn da auf Erden los?"
"Sie sind endlich vernünftig geworden, naja, wenigstens einer von ihnen: Der Papst hat sich von einer Last befreit. Die anderen haben es nur noch nicht erkannt."
"Alles auf Anfang?", fragt Gottes Sohn.
"Nicht ganz, aber alle Möglichkeiten sind wieder offen. Endlich."

Unten in Rom bombardieren die Kardinäle ihren Papst mit Fragen.
"Was hast du dir dabei gedacht?"
"Was machen wir nun mit unseren schönen Kirchenhäusern?"
"Wem geben wir jetzt die Richtung vor?"
"Sollen alle unsere mühsam erarbeiteten Gesetze und Regeln in den Wind geschossen werden?"
"Wo soll …"
Der Papst hebt müde seinen Arm. "Geht nach Hause", sagt er. "Schlaft eine Nacht drüber. Ich nehme meine Entscheidung nicht zurück. Wir sehen uns morgen um 8 am Ufer des Tiber neben der Engelsburg." Und er lässt die verdutzten Kardinäle einfach stehen.

"Was war jetzt das?", fragt oben an der Himmelskante der Erzengel Michael, der auf seiner Nachmittagsrunde bei Gott und seinem Sohn vorbeischaut.
"Der Papst hat die Kirche geschlossen – für immer", erklärt Gottes Sohn.
"Brauchen sie Hilfe da unten?", fragt Michael.
"Ich bin nicht sicher", sagt Gott. "Warten wir morgen ab."

Schon vor 8 waren die Kardinäle am Ufer des Tiber, alle in ihren roten Roben, um wenigstens so ein Stückchen Wichtigkeit zu signalisieren. Der Papst kam barfuß und in leichtem Gewand. "Lasst uns im Flusswasser die Füße vertreten. Das wird am frühen Morgen die immer noch erhitzen Gemüter kühlen." Und er klettert auf einen Stein am Ufer, taucht den linken Fuß unter Wasser. Dann watet er langsam in den Fluss.
"Wie jetzt?", einer der Kardinäle ist entsetzt. Ein anderer macht es dem Papst nach und dann ein zweiter. Sie spüren Steine und Sand unter den Füßen, fließendes Wasser um ihre Knöchel. "Schööön!", entfährt es einem. Bald steht nur noch eine kleine Gruppe der Hartnäckigen in Lacklederschuhen am Ufer.

"Die Unbelehrbaren", seufzt Gott oben an der Himmelskante. "Michael, ihnen schickst du einen deiner Engel im Traum. Sie sollen sich erinnern, wie es war in ihren Kindertagen, als sie barfuß und unbeschwert die Welt entdeckt haben. Damals kannten sie keine Grenzen und sie pfiffen auf mühsame Gesetze. Das ganze Leben stand ihnen offen mit all seinen Farben. Damals, als sie neugierig waren und sich anfreundeten mit sich selbst und mit den Menschen – und mit mir."