Mittwoch, 21. Dezember 2022

Menschwerdung – one love Gottes


1 Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott
 und das Wort war Gott.
3 Alles ist durch das Wort geworden und ohne es
wurde nichts, was geworden ist.
14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt
und wir haben seine Herrlichkeit geschaut ... (Joh 1)

Nur noch wenige Male ausschlafen, dann feiern wir Menschwerdung. 
Menschwerdung Gottes! In dem Kind in der Krippe wird Gott leibhaftig Teil der Schöpfung, will das Leben mit uns gehen von der Geburt bis zum Tod, von der Krippe bis zum Kreuz und darüber hinaus. Gott wird Mensch, um uns Erlösung zu bringen. "Christ der Retter ist da", werden wir in wenigen Tagen wieder singen. 

In der Menschwerdung bestätigt Gott den Bund mit den Menschen, geschlossen mit Noah im Zeichen des Bogens, der sich vom Himmel bis zur Erde ausstreckt. Wann immer wir diesen Bogen sehen, erinnert er uns, dass wir Gottes Geschöpfe sind, dass Gott mit uns ist und war und sein wird. Mit dem Bogen breiten sich alle Farben des Lichts über der Erde aus, eine Fülle an Licht und Leben.

4 In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
9 Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,
 kam in die Welt. (Joh 1)

In der Menschwerdung zeigt Gott Flagge, bekennt Farbe für die Schöpfung, die Menschen. Gott wurde Mensch aus und in Liebe. Gottes Liebe eint, heilt und befreit. Sie nimmt alle Menschen an, jede und jeden in ihrer und seiner Einzigartigkeit. Gottes Liebe unterscheidet nicht, bevorzugt nicht und grenzt nicht aus. 
"Die Menschen sind alle nach Gottes Ebenbild geschaffen und sollen darum respektiert werden", schrieb Adolph Kolping vor über 150 Jahren. 

Nur noch wenige Male ausschlafen, dann feiern wir Menschwerdung. 
Menschwerdung Gottes! Auch in unseren Herzen will Gott Mensch werden, uns anstecken mit der Liebe, die einen, heilen und befreien will. Sind unsere Herzen bereit?

Gott hat nur eine Liebe. Menschwerdung – one love Gottes.


Sonntag, 24. April 2022

Mein Schreibexperiment


In der Fastenzeit habe ich am Schreibexperiment von
Susanne Niemeyer teilgenommen. Unter dem Leitsatz "Anders als gedacht" gab‘s mittwochs und sonntags Schreibimpulse: vierzehn Mal Übungen und Ermutigung zu "Wortakrobatik und Gedankenweitwurf". Auf überraschenden Umwegen entstanden schließlich die folgenden Texte.


1 Sehen

Umzugskisten voller Gedanken

Sie stehen in jedem Zimmer meines Seelenhauses 
gefüllt mit Geschichten und Erinnerungen, 
Begegnungen, Erlebnissen – nicht nur meine eigenen, 
auch die meiner Eltern, Großeltern, meiner Familie.

Vor dem Umzug war nicht die Zeit, sie zu sortieren, zu entscheiden:
Was will ich verabschieden, was ent-sorgen, was bewahren? 
Und was schenke ich weiter?

Ich suche nach der Formel für den Zauber, 
der jedem neuen Anfang innewohnt.


2 Weitersehen

Selige Zuversicht

Selig, die in der Wüste einen Baum pflanzen, 
ihnen gehört das Himmelreich.

Selig, die ihren Talenten trauen, 
sie werden gesättigt werden.
 
Selig, die Ja zum Leben sagen, 
sie werden das Land erben.
 
Selig, die Gottes Umarmung spüren, 
sie werden getröstet werden. 

Selig, die ohne Schirm im Regen tanzen, 
sie werden Kinder Gottes genannt werden.


3 Schmecken

Mittwoch

Wie ausgelutscht und ausgespuckt.

So fühle ich mich heute Morgen.
Schlecht geschlafen, falsch gelegen,
der Rücken zwickt. Der Kaffee hilft nur mäßig.
Ich öffne das Fenster und lasse 
Luft herein, kühl und frisch.
Die Vögel rufen sich ihre Tagespläne zu.
Ihr Zwitschern vertreibt meine Unlust.
Hach!


4 Feinschmecken

Das könnte mir wohl gefallen

Kaffeekränzchen statt Kanonenfutter 
Blickkontakt über den großen Tassenrand
und Milchschaumküsse zur Versöhnung


5 Fühlen

Mut und Überraschung

Gesucht

Suche Weggefährt*in!
Auf unserer gemeinsamen Reise wollen wir Abenteuer erleben,
Drachen besiegen und die Welt verbessern.
Bereit? Dann melde dich!

Kontakt: sei[at]mut.ig

PS: Fürchte dich nicht, das Leben hat viele Farben.


Das anschließende Blind Date

"Wow", entfährt es dem Mut. "Du nimmst das mit den vielen Farben wirklich ernst." Die Überraschung lächelt und nimmt Platz auf der Bank. "Na klar", antwortet sie. "Die Natur liebt Farben, die Welt ist bunt und wild wie diese Blumenwiese." Sie atmet tief und zufrieden ein. 
Der Mut betrachtet die Überraschung. Ihre Haare sind feurig rot, der Pulli regenbogenfarben gestreift und der Glockenrock strahlt gelb wie der Sonnenschein. Er selbst ist eher zweckmäßig gekleidet mit Latzhose und Weste mit vielen Taschen für all seine Abenteuerutensilien. Er seufzt. "Heute Morgen", sagt er, "stand in meinem Kalender: Du wächst, wenn du vom Leben überrascht wirst." Sie sieht ihn an und lacht: "Ich liiiebe solche Weisheiten." 
Der Mut greift nach der Hand seiner farbenfrohen Überraschung. "Dann auf, ziehen wir los und wachsen zusammen!"

Ein leichter Wind weht, ein Schmetterling setzt sich auf die freie Bank.














Unterwegs habe ich ihre bunte Botschaft entdeckt. ;-)


6 Einfühlen

Herzmuschel-Amen

Gott fühlt tief
die Weite des Meeres
die Brise des Windes
den Schmerz der Vergänglichkeit
von 1000 Jahren


7 Gleichgewicht

Im Rhythmus

Trauermücken in der Blumenerde
Roter Paso Doble
Gerüche von draußen, die ich nicht mag
Roter Paso Doble
Der nicht erledigte Wäscheberg
Roter Paso Doble
Dauerjammern auf hohem Niveau
Roter Paso Doble
Zunehmende Gleichgültigkeit
Roter Paso Doble
Zu viele Stops, zu wenige Gos
Roter Paso Doble


8 Leichtgewicht

Engels Stärkung

Steh auf und iss!
Bienenlachen
Sternensummen
Vanilleschimmer
Schlafstreusel
Lichtblütenblätter
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
(1 Kön 19, 7)
     


9 Hören

Weltenmaler

nrrscht!
Ach, wär’s doch nur so einfach:
ein beherzter Pinselstrich –
und alles Unrecht ist aus der Welt.
Steh Deiner Schöpfung bei,
vor allem uns Menschen!
Amen.


10 Aufhören

An die Menschheit

Eine neue Zeit beginnt. 
Steht freudig auf, erhebt euch! Lebt, blüht!
Alles auf Anfang. 
Schneidet die alten Zöpfe ab, putzt euch heraus!
Werft Ballast über Bord und lüftet die Hirne!
Alle Türen stehen offen.


11 Riechen

Flieder, Freude, Eierkuchen

Heimat riecht nach einem Garten und Bienen, die von Blüte zu Blüte summen. 
Heimat riecht nach süßem Trost.
Heimat riecht nach Erwachen aus tiefem Schlaf.
Heimat riecht nach Sonntag und Familienspaziergang.
Heimat riecht nach einem Rendezvous mit mir selbst.
Heimat riecht nach Zusage und Geborgenheit.


12 Reichen

Ode an den Klebefilm

O Klebefilm, du praktischer Verbinder! Bescheiden gewährst du Durchsicht, willst, worauf du gesetzt, nicht verdecken. Transparenz ist deine Stärke.

Du bist im doppelten Sinn ein Kunststoff. Daraus hergestellt wirkst du daran mit, Kunst zu machen. Bei allerlei Arten Verpackungen wirst du Teil des Geschenks. Mit dir lässt sich auch prächtig basteln, oft wirst du dabei zur dritten Hand.

O Klebefilm, du unterschätzter Sanierer! Beharrlich fügst du zusammen, was zerrissen. Einen Brief in 1000 Fetzen machst du ganz und ebenso das ausgefranste Eselsohr. Haftung ist deine Kraft.

Kurzum: Du bist, was manche Welt im Äußeren zusammenhält.


13 Trauen

Liebesruf

Ich ging in die Stadt und lauschte, wie er es mir gesagt hatte.
Ich hörte das Rauschen von vorbeifahrenden Autos, Fahrradklingeln und Stimmengewirr. Irgendwo tönte Musik aus einem Ghettoblaster, das Läuten von Kirchenglocken setzte sich darüber.
In einer kleinen Straße vor einem alten Haus mit wildem Garten hielt ich inne. Da rief mit süßer Melodie ein Zaunkönig nach seiner Zaunkönigin.

Hörst du es auch?


14 Vertrauen

Ostermorgen

Herzlachenfülle
Gedankenfederleichtigkeit
Freudentanzschritte
Himmelsglückseligkeit
Lebensmorgenhalleluja

Mittwoch, 23. März 2022

Die Drachen unserer Zeit



Krieg ist einer, ebenso Rassismus, Missbrauch und Diskriminierung, Armut, Hunger, Klimakatastrophen und Pandemien … Die Drachen unserer Zeit beherrschen unser Leben, unser Fühlen, Denken und Handeln. 

Seit jeher findet sich der Drache als Motiv in den Bildern und Geschichten der Kulturen rund um den Globus. Ihm ist sogar ein Sternbild am Nordhimmel gewidmet. In der Bibel verkörpert der Drache das Menschenfeindliche und Böse. In der Offenbarung des Johannes kommt es zum endgültigen Kampf, in dem der Erzengel Michael den Drachen, der für den Teufel steht, aus dem Himmel verbannt (Off 12, 9). Auch 
Heiligenlegenden berichten von Drachenbesieger*innen, unter den populärsten ist der heilige Georg, einer der 14 Nothelfer.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich ein weiterer Drache erhoben, als wären wir nicht schon genug geschlagen – gerade in den vergangenen zwei Jahren. Tapfer sind wir mit Kontaktverzicht und Masken gegen die Coronapandemie gezogen, haben Kräfte und Mittel mobilisiert für die Menschen weltweit, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Wir sind gegen den Raubbau an unserer Erde und gegen den Klimawandel auf die Barrikaden gegangen. Und nun beten wir für den Frieden, sammeln Notwendiges für die Menschen im Kriegsgebiet und bereiten Unterkünfte für die, die der Hölle entkommen. 

Neben all diesen globalen Drachen da draußen fordern uns dann auch noch unsere eigenen, inneren Drachen heraus – sehr persönlich, meist, wenn wir allein sind und besonders verletzbar: Depression, Trauer, Krankheit, Verlustangst … Sie beherrschen unsere Gefühle und Gedanken noch mehr und lähmen uns in unserm Tagwerk. Der Sieg über diese Drachen ist ein noch größerer. Er kann uns befreien und stark machen. Und dabei müssen wir nicht wie Heldenmütige und Heilige allein hinausziehen gegen diese Drachen. Wir können und dürfen uns Unterstützung suchen und finden sie in der Familie, bei Freund*innen und professionellen Drachenbesieger*innen.

Ich will Verbündete finden in meinem Kampf gegen meine inneren Drachen. Und wenn ich am Nachthimmel den Drachen entdecke (ganz in der Nähe des kleinen und des großen Bären), dann rufe ich ihm im überzeugendsten Brustton entgegen: "Ha! Ich siege!"

Dann wird Ostern in mir.


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Impuls zum Jahresthema von Kolping im Diözesanverband Trier:
Wage zu träumen! Mit Zuversicht gemeinsam Siege gestalten