Vor drei Wochen hat es mich
aufgesucht im Kleid der Angst. Und sofort kamen die Bilder zurück in meinen
Kopf. Bilder und Ereignisse, die vierzehn Jahre zurückliegen und die sich – von
meinem Monster angestachelt – ganz von selbst ins Jetzt übersetzt haben. Was, wenn
tatsächlich? Wieder OP und wieder Therapien? Wie wird das funktionieren? Damals
konnte ich einfach ein "Urlaubssemester" wegen Krankheit einlegen.
Heute habe ich eine Vollzeitstelle. Aber vielleicht ist alles doch harmlos.
Der Angstmonsterstachel
steckte und grub sich immer weiter in meine Gedanken. Und so wurde dieses Mal
die Zeit vom Tastbefund bis zum Arzttermin zum Zitterspiel, ungewohnt nach
Jahren, in denen Nach- und Vorsorgeuntersuchungen doch eigentlich zu Routine
geworden sind. Dann Aufatmen, Freude und Erleichterung, alles nur Wasser, nur
eine Riesenzyste!
Das Monster – in Gestalt von
Angst und Zyste – hat mich eines erkennen lassen: Damals wie heute gingen meine
Bilder und Gedanken weiter lebenwärts. Der Tod war keine Option. Irgendetwas trägt
mich, ein tiefes Gottvertrauen in mir, das mich in die Zukunft begleitet. Bin
ich eine hoffnungslose Optimistin? Besser klingt: ein hoffnungsvoller und reich
beschenkter Mensch.
Bis Weihnachten ist es noch
eine Weile hin, aber ich habe jetzt schon meine Geschenke bekommen: Menschen,
denen ich mich anvertraue, die mit mir zittern, die ihre Reise für mich
unterbrechen und die gerade dann ihren Humor mit mir teilen, indem wir über
kommende Filmbestseller wie "Die Wanderzyste" als Historiendrama oder
Horrorstreifen spinnen. Mein Patenbaby, das mich anstrahlt und mir zeigt, wie er aufstehen lernt und die Welt entdeckt. Mein Patenneffe, der mit
seinen drei Jahren Dinge, die er beobachtet, ganz wunderbar in seine Spielwelt
einbezieht und mit einem neu kreierten Bonmot uns Erwachsenen ein Lächeln ins
Gesicht zaubert. Und mein großer Neffe, der als Vorschulkind alles wissbegierig in
sich aufsaugt und mir durch die Haare zaust, während wir über neue Fragen
diskutieren. Oder einfach nur das Wolkenspiel am blauen Himmel an einem kalten
klaren Novembermorgen – wie gut, dass die Bahn so voll war und ich mich für
den Fußmarsch entschieden habe.
In diesen Momenten verliert
das Monster sein Monströses, denn das Leben ist so viel größer, als ein Monster
es sich jemals vorstellen könnte!