Alles ist für den großen
Empfang gerichtet: die lange, festlich gedeckte Tafel, der prachtvolle
Blumenschmuck in allen Räumen, die im hellen Licht der goldenen Kronleuchter
erstrahlen. Auch das Personal in den makellosen Uniformen mit den blütenweißen Westen steht bereit.
Wenn nur das Warten nicht
wäre! Es ist fünf vor zwölf – lange kann es nicht mehr dauern, bis der Ehrengast
endlich eintreffen wird.
Die geladenen Gäste in ihren
schmucken Festtagskleidern sind schon da: Die Routine plaudert in der
Halle mit dem Alltagstrott. Die Gleichgültigkeit lehnt in der Tür
zum Speisesaal und die Bequemlichkeit hat sich in einem Sessel
niedergelassen. Die Inkonsequenz diskutiert mit dem guten Willen,
während die Angst vor der eigenen Courage nervös auf und ab geht. Die Ausdauer
hat sich in letzter Minute entschuldigt, ihr Bruder, der Idealismus,
sei ernsthaft erkrankt.
Draußen fährt eine große
Limousine vor. Aber es ist nur die Einsicht, wie immer ein bisschen zu spät. Sie hat
Nachricht vom gegenseitigen Respekt, den bisher niemand so richtig vermisst
hat: Er steckt in schwierigen Verhandlungen mit der Machtgier und der Verlustangst
fest und musste seine Teilnahme am Festbankett wieder absagen.
Vom Tross des Ehrengasts ist
noch immer nichts zu sehen, weder vom üblichen Aufgebot an Sicherheitskräften noch von
ihm selbst. Die Ungeduld macht sich in der Tafelrunde breit und beginnt
ein Streitgespräch mit der Selbstgefälligkeit und dem falschen Stolz.
Plötzlich verstummen die
Streithähne, ihr Blick fällt auf den Ehrenplatz. Den hat ein Pärchen eingenommen, ganz
offensichtlich Geschwister. Unbemerkt von der Gästeschar, die so
sehr mit sich selbst beschäftigt war, sind sie in den Festsaal gekommen.
Ihr Erscheinungsbild will nicht so recht in die illustre
Gesellschaft passen. Sie tragen keinen Schmuck, ihre Kleidung ist an einigen Stellen zerrissen und
die Schuhe haben sie auf
ihrem langen Weg verloren. Eilig stürzt das Personal herbei, um diese Fremden zu entfernen. Doch dann halten sie inne. Die beiden
strahlen eine große innere Ruhe und Würde aus und sind dabei bescheiden und freundlich. Ihre Augen lächeln.
Der sehnlichst erwartete Ehrengast hat seine Zwillingsschwester mitgebracht, denn beide sind unzertrennlich: der Frieden zwischen den Völkern und die Bereitschaft zur Versöhnung.
Der sehnlichst erwartete Ehrengast hat seine Zwillingsschwester mitgebracht, denn beide sind unzertrennlich: der Frieden zwischen den Völkern und die Bereitschaft zur Versöhnung.
(zum heutigen
Internationalen Tag des Friedens, 1981 von den Vereinten Nationen ausgerufen als globaler Appell für
Gewaltfreiheit und Waffenstillstand und zur Stärkung der Idee des Friedens zwischen den Völkern)