Mittwoch, 13. Dezember 2023

Kolping: Weltfamilie


"KOLPING INTERNATIONAL versteht sich als eine lebendige Weltfamilie, in der sich alle solidarisch umeinander kümmern. Ob in Europa, Afrika, Asien oder Amerika: In über 9.000 Kolpingsfamilien haben sich Menschen vereint, die sich gegenseitig helfen und gemeinsam etwas für alle Menschen bewegen wollen." So beschreibt der internationale Sozialverband sich selbst auf seiner Webseite.

Diese Weltgemeinschaft konnte ich im Herbst in Köln beim internationalen Gottesdienst anlässlich der Generalversammlung erleben. Ich war schon in der Minoritenkirche, als nach und nach die Delegierten der Kolpingwerke aus aller Welt ins Gotteshaus kamen, nass vom Regenschauer mit einem freundlichen Lächeln. Es gab ein großes Hallo mit Delegierten aus Deutschland und aus unseren Partnerländern Bolivien und Litauen. Die beiden Bolivianerinnen kannte ich davor nicht, mit der Litauerin hatte ich bis dahin nur Kontakt per E-Mail oder Videochat. Dennoch war da sofort diese Herzlichkeit spürbar. KOLPING verbindet über Grenzen und Sprachen hinweg. Auf die langjährige Partnerschaftsarbeit unserer Kolpingwerke, auf persönliche Begegnungen durch frühere Reisen können wir heute unsere Freundschaften bauen. Dort in der Minoritenkirche wurde aus fremden Menschen ein Wir, vereint in Gebet und Musik am Grab des Verbandsgründers Adolph Kolping. Durch ihn und sein Lebenswerk, das bis heute in Kirche und Gesellschaft wirkt, werden wir zu Kolpinggeschwistern einer Weltfamilie. 

Warum erzähle ich das in einem Impuls zum Advent? In den nächsten Wochen sehen wir dem Fest der Menschwerdung entgegen. Jesus, Gottes Sohn, taucht nicht einfach so aus dem Nichts oder dem Himmel in der irdischen Welt auf. Er wird in eine Familie hineingeboren mit Maria und Josef als liebevolle, sorgende Eltern und das Markusevangelium erwähnt mehrere Geschwister. Denn Mensch ist man nicht für sich allein: Einerseits sind wir Individuen, doch zugleich auch soziale Wesen und auf Miteinander und Zusammenhalt angewiesen. 
Ich und Du ergänzen sich zum Wir. 

Wir sind Teil von Gemeinschaft: in Familie, Freundeskreis, Schule, Beruf und Freizeit. Für Adolph Kolping war die Familie die wichtigste, grundlegende und darum schützenswerte Zelle der Gesellschaft. "Daran erkennt man eine kath. Gemeinschaft, dass sie Familie ist." Dieser Satz nach Adolph Kolping hängt im Pfarrsaal meiner Heimatgemeinde. Die Kolpingsfamilie hat ihn vor Jahrzehnten dort angebracht. Begegnungen und Erlebnisse bei KOLPING haben mich geprägt, mir Möglichkeiten eröffnet und dazu beigetragen, dass ich mich entwickeln konnte zu der Person, die ich heute bin. Ich bin reich beschenkt durch diese Weltfamilie und stehe gleichzeitig in der Verantwortung, meinen Anteil beizutragen. Ganz im Sinne: Fiel a Kolping! Ištikimas Kolpingui! Treu Kolping!

Menschwerden und Menschsein heißt, in Beziehung zu leben – in Beziehung zu unseren Mitmenschen und in Beziehung zu Gott. 

Möge es uns gelingen, in der vor uns liegenden Zeit nicht nur Häuser und Straßen zu schmücken, sondern auch unsere Herzen zu bereiten für die Ankunft des Gottessohns.


Mittwoch, 15. März 2023

Nenn mir einen Grund, in der Kirche zu bleiben!


"Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen." - So zitierte eine junge Frau, Mitglied des Synodalen Wegs, während der fünften Synodalversammlung im März 2023 Adolph Kolping. Die zweite Lesung des Handlungstexts "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" führte zu einer langen und kontroversen Diskussion. Am Ende wurde ein aus Bischofssicht "strategisch-kluges" Kompromisspapier beschlossen.

Das Ganze hat mich an meine Kindheit erinnert. Damals in der 6. Klasse wollten wir so gerne Messdienerinnen werden, aber der Pfarrer erlaubte es nicht. Seine Begründung stütze er auf das vatikanische Verbot: Jungen durften Dienst am Altar tun, also Messdiener werden, Mädchen nicht. Seine Lösung war: Die Mädchen konnten ja zu Kolping gehen. Das hat die Jugendarbeit in unserer Pfarrei für Jahre geprägt. Wir waren damals bereits eine Kolpinggruppe und von der strikten Haltung des Pfarrers sehr enttäuscht, zumal in Nachbarorten sehr wohl Messdienerinnen ihren Dienst taten.

Warum bin ich dennoch in dieser hierarchisch und ständisch verfassten, krisenbelasteten Kirche geblieben, die mir schon früh und immer wieder Illusionen genommen hat? 

Zum einen, weil gute Menschen mich den Glauben gelehrt haben: meine Eltern, meine Großeltern, meine Familie. Sie haben mich mit Liebe und Geborgenheit umgeben, mich unterstützt und mir Halt gegeben. Sie haben mich auch in die Kirche mitgenommen und mir ein Gottvertrauen vorgelebt und geschenkt, das mich durch manch schwere Zeit getragen hat. Wir haben über Gott und die Welt geredet und sie gemeinsam erlebt. Später haben Begegnungen bei Kolping mich geprägt, auch dort konnte ich mich entfalten und zu der Person werden, die ich heute bin.

Und zum anderen, weil ich denen, die keine Veränderung der Kirche wollen, das Feld nicht überlassen will. Mit Vielen will ich Stimme der Veränderung sein. Die 2000-jährige Kirchengeschichte zeigt, dass Kirche sich immer verändert, um Wahrheit und Wahrhaftigkeit gerungen und aus schweren Fehlern gelernt hat. Wenn die Rede vom Bauen am Reich Gottes ist, dann stelle ich mir kein Gefängnis, keine Mauern vor, sondern ein helles, weites Land, in dem ich atmen kann.
Verharren in destruktiven Strukturen, Stillstand sind Tod. Leben ist Veränderung, Wandlung, Erneuerung. Das sehen und erleben wir jetzt im Frühling. In Gottes wunderbarer Schöpfung wächst, grünt und blüht es. Das wünsche ich mir auch für unsere Kirche: dass sie ihre Buntheit und Vielfalt lieben lernt, dass sie allen Geschöpfen Gottes mit gleichberechtigtem Respekt begegnet, dass sie Fesseln löst und Entfaltung ermöglicht und dass sie frohmachende Botschaften verkündet. Dafür hat Jesus den Tod überwunden und uns den Weg hin zu einem Leben in Gottes überfließender Liebe gezeigt.